Freitag, 12. April 2019

100 Jahre Bauhaus - mein Quilt nach Gertrud Arndt

Genau heute vor 100 Jahren wurde in Weimar das Bauhaus gegründet, das von seinem Direktor Walter Gropius den Namen "Staatliches Bauhaus in Weimar" bekam.
Die Konzeption war damals etwas völlig Neues: Die Schule wollte Kunst und Handwerk zusammenführen; die Unterscheidung von Künstler und Handwerker sollte aufgehoben werden. Walter Gropius schreibt in seinem Bauhaus-Manifest: "Wir alle müssen zum Handwerk zurück ... Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker. Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers." Und das ist genau das, was mich an Bauhaus-Arbeiten so anspricht: künstlerischer Ausdruck, der auf handwerklichem Können fußt, der reduzierte, sachliche Stil und die Idee der Funktionalität. Wir sehen ein 100 Jahre altes Design, das man auch heute als modern empfindet.

Es entstanden Werkstätten für Architektur, Möbel, Weberei, Keramik, Grafik, Glas- und Metallgestaltung, Bühne, Buchbinderei und Wandmalerei, später auch für Fotografie.
Die Leiter dieser Werkstätten wurden nicht Professoren sondern Meister genannt. Unter ihnen war lediglich eine Frau: Gunta Stölzl in der Weberei.



Die Rolle der Frauen am Bauhaus ist so interessant, dass die Autorin Ulrike Müller ihr ein Buch gewidmet hat, das für mich vor einiger Zeit der Einstieg in die Bauhaus-Welt war und mir jetzt für meine textile Arbeit als Inspiration gedient hat.



Schon beim ersten Blättern im genannten Buch ist mir auf einem Foto von Gropius' Arbeitszimmer der Teppich aufgefallen, den Gertrud Arndt entworfen hat. Im Kapitel über diese Bauhausschülerin sehe ich dann ihren Entwurf genauer und bin spontan entschlossen, dieses Muster als Quilt zu arbeiten.

(fotografierte Buchseite)

Dann begannen die Überlegungen. Ich wollte keine Eins-zu-Eins-Kopie machen, versteht sich, aber die grundlegende Konstruktion von Form und Farbe verstehen und wiedergeben.

Der Teppich besteht aus 12x16 Quadraten, die Farben sind Blau- Grau- und Gelb/Orangetöne. Ich zitiere aus dem o.g. Buch: "Ein weiterer sorgfältig gemalter Teppichentwurf von 1924 war mit 37 Farbabstufungen besonders aufwändig zu realisieren, denn es gab die Garne so nicht zu kaufen. Ich musste die ganze Wolle selbst färben - ohne Ahnung und ohne Hilfe. Es war grausam ..." 

Ich besitze zwar nicht allzu viele Patchworkstoffe, aber einfarbige Baumwollstoffe in verschiedensten Farben und Abstufungen habe ich reichlich im Vorrat (nicht zuletzt durch einen kürzlich getätigten Großeinkauf an Resten). Blau und Grau habe ich leicht zusammen bekommen - das wären auch meine persönlichen Farb-Favoriten gewesen - aber die gelben Stoffe habe ich durch rötliche ersetzt. Was dazu führt, dass meine roten Quadrate im fertigen Quilt deutlich weniger dominant sind, als die gelben Partien im Original. Das kontrastreiche, leuchtende Gelb ist durchaus ein wichtiges Merkmal des Teppichs und ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht doch besser anders hätte entscheiden sollen. Alternativ hätte ich für das ganze Projekt neue Stoffe kaufen können ...

Im Teppich-Entwurf kann man sehen, dass die gelben Farben im mittleren Bereich konzentriert sind, d.h., in den äußeren beiden Reihen kommen diese Farben nicht vor, ebensowenig wie im zentralen 6x4 Quadrate großen Rechteck. Bei den Blau- und Grautönen ist sofort die abgestufte Anordnung zu erkennen, drei oder vier aufeinander folgende Quadrate in auf- bzw. absteigender Helligkeit. Das habe ich versucht, weitestgehend umzusetzen. Hier einige Detailfotos, die die Farbabstufungen in meiner Arbeit zu zeigen:




Meine Quadrate sind fertig zusammengenäht 5x5 cm groß und da ich auch bei Patchwork gern mit 1cm Nahtzugabe arbeite, habe ich 7cm breit zugeschnitten. Aber nicht jedes Quadrat einzeln, sondern habe zwei, drei bzw. vier Streifen in abgestufter Farbfolge längs zusammengenäht. Quer auseinander geschnitten hatte ich nun keine Einheiten, die mir das Zusammensetzen erleichtert haben. Als Hilfe habe ich mir die Reihen auf der Fotografie im Buch nummeriert - ganz schwach mit Bleistift, man kann es im Foto oben sehen. Das werde ich als Erinnerung an meine Arbeit so belassen.

Die 192 zusammen genähten Quadrate habe ich mit einem dünnen Baumwollvlies hinterlegt. Die Rückseite bildet ein hellblauer Baumwollstoff aus meinem Vorrat.

Ein Teppich ist natürlich nicht gequiltet, aber ich kam hier nicht drum herum. Längs und quer im Nahtschatten, oder dichte Linien, Kreise, Muster? Das hat mir alles nicht wirklich zugesagt. Schließlich habe ich mich entschlossen, die Quadrate an ihren Kreuzungspunkten mit einem gestickten Kreuz zu fixieren. Dafür habe ich dunkelblauen Sticktwist verwendet. Das sieht auf der Rückseite ulkig aus, ist aber egal, da mein Werk an der Wand hängen wird. Fest stand von Anfang an ein unsichtbares Binding. Eine Anleitung dafür habe ich im Netz gefunden und war besonders von der Verarbeitung der Ecken angetan.



Mein fertiger Quilt ist 60x80cm groß.



Mitte Februar hatte ich hier auf dem Blog dazu aufgerufen, eine vom Bauhaus-Stil inspirierte Arbeit anzufertigen, darüber zu bloggen und mir zur Verlinkung anzubieten. Das war eine spontane Idee, die sich nun mit den Stoffspielereien am Ende des Monats kreuzen, die ebenfalls das Bauhaus zum Thema haben. Da ich die Gastgeberin sein werde, werde ich mir erlauben, die Sammlung die dann entstanden sein wird, hier zu verlinken. Ich sehe auch, dass es bei der Großen Nadelbrief-Nähaktion in Kalenderwoche 41 das Thema Bauhaus gibt. Auch darauf würde ich dann gern explizit verweisen, wenn es soweit ist und die Beitragenden damit einverstanden sind.

Ich würde mir wünschen, dass ich auch von nicht-textilen Arbeiten Kenntnis bekomme, um sie hier zu erwähnen. Wer mag vielleicht dafür bei den Malern, Keramikern, Fotografen und bei den Kunsthandwerkern im Bereich Glas, Holz und Metall Werbung machen? Es wäre schön, hier eine gewisse Bandbreite zusammen zu bekommen. Das ist groß und mutig gedacht - aber man darf ja mal träumen ....

Da das Bauhaus-Jubiläum quasi das ganze Jahr über gefeiert wird, würde ich meine Sammlung auch bis zum Jahresende offen halten. Ich verlinke persönlich und ohne Linktool.

Wer ein Bauhaus-Museum oder eine der vielen Bauhaus-Sonderaustellungen und Veranstaltungen besucht und einen persönlichen Bericht veröffentlicht und damit hier verlinkt werden möchte, mag sich gern bei mir melden. Für alle Interessierten gilt: Meldet euch mit einem Kommentar zu diesem Post oder einer Mail.

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Hier berichtet eine Blogger-Kollegin von der Bauhaus-Ausstellung "Utopie und Anpassung" in Oldenburg. Sie läuft noch bis zum 4. August.

8 Kommentare:

  1. Wie schön! Der Quilt ist ganz toll geworden. Gut, wenn man genügend Material da hat. Du hast zwar viele dunkle Rottöne, aber die Wirkung ist trotzdem da. Ich komme auf 13 verschiedene Farben, kann das sein? Genügt völlig. So aufwändig er auch aussieht, dies ist gegenüber eines Teppichs mit ausgeprägten Muster schon reduziert und als Knüpfteppich durchaus in größeren Stückzahlen produzierbar. Ich denke nämlich, dass das Bauhaus auch der Anfang des Industriedesigns war, d.h. Massenproduktion wollte gestaltet werden: modern, funktionell, materialgerecht, und mit dem edlen Ziel für jedermann erschwinglich zu sein. Da gab es genug zu tun. - Man muss sich ein wenig in die Materie eindenken, um der Sache gerecht zu werden. Mir ist da noch nicht so viel eingefallen, behalte deine schöne Aktion aber im Auge. Viele Grüße Regina

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  2. Danke für dein positives Urteil. Ehrlich gesagt, habe ich die Farbtöne gar nicht gezählt, aber ich denke, du bist mit deiner Schätzung nahe dran, mehr war es sicher nicht. Zur "Verwertung" des Bauhaus-Designs in der Industrie: anfangs wollte man sich von der Industrie emanzipieren, nach einsetzendem Erfolg begann jedoch eine Zusammenarbeit mit der Industrie. "Mein" Teppich war ein absolutes Einzelstück nur für Gropius' Arbeitszimmer entworfen. Er sollte dort in Form und Farbe genau hineinpassen. Etliche andere Designs entstanden sicherlich auch im Hinblick auf eine industrielle Verwertung.
    Vielleicht kommt dir eine Idee, deine Kunst-Aktion mit meiner zu verbinden und es entsteht ein Kleidungsstück ...?

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  3. Ein wunderbarer Einblick (und Einstieg) in die "Bauhaus"-Welt! Durch das Rot wird der Charakter des Teppichs ganz anders. Bei den modernen Quiltern ist zur Zeit grau/gelb sehr angesagt - 100 Jahre alt und es wirkt immer noch modern!
    Liebe Grüße
    Ines

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  4. Ich finde, du hast die Idee sehr gelungen umgesetzt. Klar ist das Rot nicht so knallig wie das Gelb (hast du weniger rote Quadrate genommen als im Entwurf gelbe zu sehen sind?), aber es erfüllt den gleichen Zweck, mehr Spannung reinzubringen.
    Ehrlich gesagt, kannte ich die textilen Arbeiten des Bauhauses bis vor Kurzem nicht. Es ist sehr spannend, in diesen Bereich einzutauchen, aber noch bin ich ratlos, was ich für die Stoffspielereien zum Thema machen könnte. LG Christiane

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    1. Danke. Nein, gelbe und rote Quadrate entsprechen sich genau in Anzahl, Aufteilung und Abstufung.
      Das Kennenlernen von Neuem findet ja hier ganz oft statt, wenn wir die Blogs unser Hobbykolleginnen lesen - das ist ja das Tolle!

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  5. Ein spannendes Projekt mit sehenswertem Ergebnis. Es geht mir gerade wie Dir. Mehrere Vorlagen habe ich heraus gepickt und überlege mit welchen vorhandenen Materialien und in welcher Größe und Technik ich etwas umsetze. Auch bei den Farben schwanke ich, ob ich mich ans Original halte. Gefunden habe ich mehrere Ausgangsinspirationen, die es verdienen würden mit einer eigenen Interpretation dran zu bleiben. Ein vielseitiges Thema.
    LG Ute

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  6. Danke. Schön zu hören, dass du dich angesprochen gefühlt hast und ein Projekt planst. Sicher wirst du noch den für dich richtigen Weg finden. Ich bin gespannt.

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