Samstag, 11. April 2020

Jacke für's Frühjahr: burdastyle 05-2019-111

Vor ein paar Tagen habe ich eine Jacke, die ich letztes Jahr im Oktober fertiggestellt habe, zum ersten Mal getragen. Das hat gedauert, genauso wie das Nähen der Jacke, das ich zuvor im Frühjahr begonnen hatte. Es war ein Projekt, das ich mir für das gemeinsame Nähen mit Roswitha ausgesucht hatte und wir treffen uns nur alle paar Wochen. Für diese Gelegenheiten schaue ich meist nach Modellen, die etwas aufwändiger und komplizierter sind und für die ich ein geübtes Auge einer zweiten Person besonders bei den Anproben brauche. Das war auch bei dieser Jacke wieder hilfreich.


Der Stoff ist ein Gemisch aus Baumwolle und Leinen zu gleichen Teilen, gekauft bei Pavani. Im Oktober war es dann wohl schon zu kühl für eine solche Jacke und so hing sie lange im Schrank. Aber jetzt war genau das richtige Wetter dafür.


Ein aufwändigerer Schnitt: burdastyle 05-2019-111 Gr. 40 (drei von vier Schwierigkeitspunkten). Und er wurde durch meine nicht ganz wenigen Änderungen noch aufwändiger (ein Schwierigkeitspunkt mehr). Ich habe nämlich zunächst eine SBA (small bust adjustiert - Änderung bei kleinerer Oberweite) gemacht. Gleich beim Nähen habe ich aufgeschrieben, wie ich vorgegangen bin. Ich denke, man muss den Schnitt vor sich liegen haben, um das Folgende nachvollziehen zu können. Die Änderungen betreffen das mittlere obere Vorderteil (Teil 1).

SBA:
  • Von der Abnäherspitze und parallel zum Fadenlauf eine Linie bis zur oberen Kante zeichnen.
  • Diese Linie nach unten genau mitten durch den Abnäher verlängern.
  • Eine zweite Linie quer einzeichnen: im rechten Winkel von der vorderen Kante durch die  Abnäherspitze bis an die Seite.
  • Entlang dieser Linien unten beginnend aufschneiden, jedoch oben und an der Seite nicht ganz durchschneiden.
  • Die Abnähertiefe beträgt in Gr. 40 3,5cm. Ich reduziere auf die Hälfte und schiebe dafür die Teile übereinander bis der linke Abnäherschenkel am rechten anstößt. Die vordere Kante muss gerade bleiben, denn das ist und bleibt der Fadenlauf.
  • Dann oberhalb vom Abnäher die Teile etwas übereinander schieben (bei mir 1cm).
  • Alles schön festkleben, den Brustpunkt bestimmen und den Abnäher neu einzeichnen.
  • Evtl. muss man den Abnäher unten zur vorderen Mitte hin verschieben, wenn er mit dem Faltenbruch im unteren Vorderteil keine Linie mehr bildet. Bei mir: 2cm!


Weitere Änderungen:
  • Halsausschnitt verkleinert für mehr Schulterbedeckung. Dabei nicht vergessen, den vorderen und rückwärtigen Besatz ebenfalls zu ändern. Am Schnittmuster wurde die Änderung in zwei Schritten  durchgeführt; der zweite erst nach dem Zuschnitt der Probejacke.
  • Länge: +3cm
  • Ärmel in klassischer Länge, d.h. +2,5cm. Damit entfällt der extra Schnitt für den Futterärmel.
  • Ärmelweite insgesamt etwas vergrößert.

Die Jacke gibt es in zwei Varianten im Burdaheft und beide haben sie, so wie sie sind, ihren Chic. Aber Dreiviertelärmel mag ich an Jacken nicht und bei dem zu den Schultern breiten Halsausschnitt dürfte man nur ein knappes Top darunter tragen; alles andere würde unweigerlich herausschauen und wenn das nicht hundertprozentig harmoniert, sieht es nicht gut aus - meines Erachtens.

Der Stoff im blau-naturfarbenen Hahnentrittmuster war ein Glückstreffer, denn die Materialkombination aus Baumwolle und Leinen mag ich sehr und der Stoff hat genau das richtige Gewicht für diese Jacke. Und sie passt perfekt zur häufig getragenen Jeans.


Jetzt fehlen mir ein paar schöne Gelegenheiten, um diese Jacke zu tragen und gebührend auszuführen. Das Leben während der Corona-Zeit beschränkt sich bei mir auf Hobby-Ausübungen im Haus, ausgiebigen Spaziergängen in Wald und Flur und Gartenarbeit. Also hoffe ich in dieser Hinsicht und überhaupt auf bessere Zeiten.

Allen Lesern wünsche ich angenehme Ostertage; seid zuversichtlich, achtet auf euch und bleibt gesund.

Samstag, 4. April 2020

Der erste gewebte Schal

Auf den Tischwebrahmen der Welt werden wahrscheinlich viele, viele Schals gewebt. Nun war auch bei mir der erste dran.


Mit hochpreisigen Garnen habe ich mich noch zurückgehalten; die Gefahr, dass ein Projekt nicht gelingt und dann ein nennenswerter Geldbetrag verschwindet, war mir momentan noch zu riskant. Das habe ich verwendet:



Das sind sogar drei verschiedene Baumwoll-Qualitäten - ich konnte also ausprobieren, wie sie sich miteinander verweben ließen. Das helle Garn ohne Banderole ist Drops Safran, das unten ein grau-natur meliertes Garn, das ich in einem Ausverkauf ergattert hatte. Alle haben in etwa die gleiche Lauflänge zwischen 125 und 160m pro 50g. Die einfarbigen Garne habe ich als Kette verwendet, das melierte als Schussgarn.

So sah es bei mir nach dem Schären der Kette aus:


2,50m Länge bekomme ich hin, wenn ich den Webrahmen auf seinem Ständer vor meinen Zuschneidetisch stelle und dann dessen ganze Länge ausnutze. Am hinteren Ende kann man die Konstruktion erkennen, mit deren Hilfe ich inzwischen die Kette schäre. Ich befestige einfach rechts und links zwei Schraubzwingen, hinter die ich einen Rundstab klemme. Auf der einen Seite wird er mit einem Gummiband an der Zwinge befestigt und das andere Ende hebe ich immer an, wenn ich einen neuen Faden hinzufüge. Diese Konstruktion gefällt mir besser als die bekannte direkte Schärmethode, bei der man die Kettfäden über einen Stab zieht - hier bei meinem ersten Projekt zu sehen, als ich es noch nicht besser wusste. Den Trick mit dem Stab und den Schraubzwingen habe ich so ähnlich auf einem englischen Blog entdeckt. Das hat mir unmittelbar eingeleuchtet, denn auf diese Weise haben alle Kettfäden die gleiche Länge.

Hier sieht man den Beginn der Arbeit am Webrahmen:


Da man die Kettfäden in kleinen Bündeln am Warenbaum befestigt, muss man zunächst drei oder vier Reihen mit einem Hilfsgarn (hier hellblau) weben, um die Fäden zu egalisieren. Da die Bündel am unteren Ende kleine Knoten haben, die sich beim weiteren Aufwickeln des Gewebes unschön durchdrücken und Beulen verursachen können, habe ich am Warenbaum längs aufgeschnittene Papphülsen (von Küchenpapierrollen) drübergestülpt. Auf dem Foto lassen sie eine Lücke - das darf natürlich nicht sein; ich habe sie später noch übereinander geschoben.

Wie merkt man sich eigentlich, wieviel man schon gewebt hat, wenn das Gewebte am Warenbaum aufgewickelt ist? So:


Ich habe einen schmalen Stoffstreifen alle 10cm markiert und clipse ihn zweimal an der Webkante an. Im Laufe des Webvorgangs wird der Streifen immer weiter geführt. Mein Streifen ist einen Meter lang; wenn ich am Ende bin, setzte ich den Anfang neu an.

Nach knapp 2 Metern war der Schal fertig. Wenn man ihn vom Rahmen abgenommen hat, schrumpft er schon etwas, denn auf dem Rahmen stand er ja immer unter Spannung. Da habe ich bereits gut 10cm verloren und nach einer Wäsche (obligatorisch bei Handgewebtem) weitere Zentimeter, so dass der Schal jetzt "nur" noch 1,80m lang ist (ohne Fransen).


Aber natürlich hat mein Schal Fransen; sie sind einfach am Gewebe geknotet.


Beim fertigen Schal war ich wieder überrascht, wie die Farben zusammen wirken. In meinem melierten Schussgarn habe ich neben Natur- auch deutliche Grautöne gesehen, von denen ich dachte, dass sie in dem dunkleren Uni-Garn wieder aufgenommen werden. Aber insgesamt dominiert am  Schal eher ein Naturton.


Insgesamt fällt der Schal auch eher etwas "mächtig" aus - das hatte ich mir auch weniger deutlich vorgestellt. Nun habe ich, einmal um den Hals gewickelt, eine ordentliche "Packung":


Hier erstmalig ausgeführt auf einem Spaziergang bei frühlingshafter Sonne.

Was habe ich gelernt?
Wieder einiges über das Zusammenspiel von Farben bei einem Gewebe in Leinwandbindung. Wenn sich zwei Farben in Kette und Schuss vermischen entsteht ein neuer Farbeindruck. Das einzuschätzen und vorauszusehen, ist etwas, das ich fast schwieriger zu lernen finde als die eigentliche Webtechnik. Wenn man da einen falschen Griff tut, kann das fertige Gewebe z.B. schmuddelig aussehen. Das ist mir kürzlich bei meinem zweiten Satz Küchenhandtücher passiert. Ich war zu enttäuscht, um das zu bloggen.
Meine Webbücher enthalten Kapitel über Farbenlehre - die muss ich nochmals gründlicher lesen.

Mittwoch, 1. April 2020

Me Made Mittwoch: Der Jumper


Möglicherweise weiß schon beim Betrachten des Fotos die eine oder andere, welches Modell ich hier zeigen werde. Richtig: Es handelt sich um den Schnitt, der als "das Schwanenkleid" in der Nähgemeinde bekannt und im Burdaheft 09-2012-106 in einer Kleid- und einer Sweatervariante zu finden ist. Ich habe einen Sweater, oder wie ich ihn nenne, Jumper, genäht.

Das Besondere an diesem Modell ist der französische Brustabnäher, der an der Seitennaht beginnt und bogenförmig bis zum Brustpunkt verläuft. Mir war der Abnäher zu tief und ich habe eine SBA (small bust adjustment - Anpassung bei kleiner Oberweite) gebraucht. Das ist bei dieser Form des Abnähers nicht so einfach. Ich habe mich mehrfach daran versucht und das auch auf dem Blog dokumentiert (etwas scrollen). Das war vor ziemlich genau vier (!) Jahren aber genäht habe ich das Modell erst jetzt. Gefolgt bin ich der zweiten Version, die ich bevorzugt habe, weil sie auch die Brustweite reduziert.

Jetzt aber mal ein "richtiges" Foto:



Ich bin leidlich zufrieden, finde jedoch, dass die Abnäher zu dicht zusammen sitzen. Das dürfte bei der eben erwähnten Reduzierung der Brustweite passiert sein. Falls ich das Modell noch einmal nähe, werde ich den Abnäher entsprechend etwas nach der Seite verschieben.




Zur Verarbeitung:
Ich habe die Brustabnäher sehr langsam auslaufen lassen und soweit wie möglich ein- und überstehenden Stoff weggeschnitten; bei den kleinen Abnähern der Ärmel ebenfalls. Bei der Nachbearbeitung der Fotos ist mir aufgefallen, dass sie noch zu wünschen übrig lassen. Ich habe sie mir gleich noch einmal vorgenommen und nachgenäht sowie gründlich gebügelt. Nur hatte ich dann keine Lust mehr auf eine weitere Fotosession; ihr müsst mir also einfach glauben, dass es jetzt besser aussieht.
Den Halsausschnitt habe ich mit einem 4cm breiten Besatz versehen, den ich im Abstand von 3cm mit der Zwillingsnadel festgesteppt habe. Den gleichen Abstand zur Stoffkante haben die Saumnähte. Den überstehenden Stoff schneide ich immer mit meiner Applikationsschere ab. Damit arbeite ich doch sicherer als mit der kleinen Stickschere, die ich zuvor benutzt habe.



"Falls ich das Modell noch einmal nähe ..." habe ich oben geschrieben. Da steht ein Fragezeichen, denn die Lösung des Abnäherproblems habe ich eher sportlich gesehen und wollte letztlich herausfinden, ob ich es mit meinem Nähwissen lösen kann. Ob sich der Aufwand wirklich gelohnt hat - da bin ich mir nicht so sicher. Wenn ich einen dunkleren oder gar gemusterten Stoff verwende, würde man den Abnäherverlauf, den man ja getrost als Designelement bezeichnen kann, kaum noch sehen. Und in der Passform sehe ich zumindest für mich keinen Unterschied zu konventionellen Brustabnähern.

Das neu genähte Modell lädt mich dazu ein, es beim heutigen Me Made Mittwoch zu zeigen - danke für die Möglichkeit.

Übrigens: Die Kette, die ich trage, ist ebenfalls me made und stammt aus meiner Jetzt-färbt-sie-auch-noch-Holzperlen-mit-Pflanzenfarben-Phase.