Samstag, 4. April 2020

Der erste gewebte Schal

Auf den Tischwebrahmen der Welt werden wahrscheinlich viele, viele Schals gewebt. Nun war auch bei mir der erste dran.


Mit hochpreisigen Garnen habe ich mich noch zurückgehalten; die Gefahr, dass ein Projekt nicht gelingt und dann ein nennenswerter Geldbetrag verschwindet, war mir momentan noch zu riskant. Das habe ich verwendet:



Das sind sogar drei verschiedene Baumwoll-Qualitäten - ich konnte also ausprobieren, wie sie sich miteinander verweben ließen. Das helle Garn ohne Banderole ist Drops Safran, das unten ein grau-natur meliertes Garn, das ich in einem Ausverkauf ergattert hatte. Alle haben in etwa die gleiche Lauflänge zwischen 125 und 160m pro 50g. Die einfarbigen Garne habe ich als Kette verwendet, das melierte als Schussgarn.

So sah es bei mir nach dem Schären der Kette aus:


2,50m Länge bekomme ich hin, wenn ich den Webrahmen auf seinem Ständer vor meinen Zuschneidetisch stelle und dann dessen ganze Länge ausnutze. Am hinteren Ende kann man die Konstruktion erkennen, mit deren Hilfe ich inzwischen die Kette schäre. Ich befestige einfach rechts und links zwei Schraubzwingen, hinter die ich einen Rundstab klemme. Auf der einen Seite wird er mit einem Gummiband an der Zwinge befestigt und das andere Ende hebe ich immer an, wenn ich einen neuen Faden hinzufüge. Diese Konstruktion gefällt mir besser als die bekannte direkte Schärmethode, bei der man die Kettfäden über einen Stab zieht - hier bei meinem ersten Projekt zu sehen, als ich es noch nicht besser wusste. Den Trick mit dem Stab und den Schraubzwingen habe ich so ähnlich auf einem englischen Blog entdeckt. Das hat mir unmittelbar eingeleuchtet, denn auf diese Weise haben alle Kettfäden die gleiche Länge.

Hier sieht man den Beginn der Arbeit am Webrahmen:


Da man die Kettfäden in kleinen Bündeln am Warenbaum befestigt, muss man zunächst drei oder vier Reihen mit einem Hilfsgarn (hier hellblau) weben, um die Fäden zu egalisieren. Da die Bündel am unteren Ende kleine Knoten haben, die sich beim weiteren Aufwickeln des Gewebes unschön durchdrücken und Beulen verursachen können, habe ich am Warenbaum längs aufgeschnittene Papphülsen (von Küchenpapierrollen) drübergestülpt. Auf dem Foto lassen sie eine Lücke - das darf natürlich nicht sein; ich habe sie später noch übereinander geschoben.

Wie merkt man sich eigentlich, wieviel man schon gewebt hat, wenn das Gewebte am Warenbaum aufgewickelt ist? So:


Ich habe einen schmalen Stoffstreifen alle 10cm markiert und clipse ihn zweimal an der Webkante an. Im Laufe des Webvorgangs wird der Streifen immer weiter geführt. Mein Streifen ist einen Meter lang; wenn ich am Ende bin, setzte ich den Anfang neu an.

Nach knapp 2 Metern war der Schal fertig. Wenn man ihn vom Rahmen abgenommen hat, schrumpft er schon etwas, denn auf dem Rahmen stand er ja immer unter Spannung. Da habe ich bereits gut 10cm verloren und nach einer Wäsche (obligatorisch bei Handgewebtem) weitere Zentimeter, so dass der Schal jetzt "nur" noch 1,80m lang ist (ohne Fransen).


Aber natürlich hat mein Schal Fransen; sie sind einfach am Gewebe geknotet.


Beim fertigen Schal war ich wieder überrascht, wie die Farben zusammen wirken. In meinem melierten Schussgarn habe ich neben Natur- auch deutliche Grautöne gesehen, von denen ich dachte, dass sie in dem dunkleren Uni-Garn wieder aufgenommen werden. Aber insgesamt dominiert am  Schal eher ein Naturton.


Insgesamt fällt der Schal auch eher etwas "mächtig" aus - das hatte ich mir auch weniger deutlich vorgestellt. Nun habe ich, einmal um den Hals gewickelt, eine ordentliche "Packung":


Hier erstmalig ausgeführt auf einem Spaziergang bei frühlingshafter Sonne.

Was habe ich gelernt?
Wieder einiges über das Zusammenspiel von Farben bei einem Gewebe in Leinwandbindung. Wenn sich zwei Farben in Kette und Schuss vermischen entsteht ein neuer Farbeindruck. Das einzuschätzen und vorauszusehen, ist etwas, das ich fast schwieriger zu lernen finde als die eigentliche Webtechnik. Wenn man da einen falschen Griff tut, kann das fertige Gewebe z.B. schmuddelig aussehen. Das ist mir kürzlich bei meinem zweiten Satz Küchenhandtücher passiert. Ich war zu enttäuscht, um das zu bloggen.
Meine Webbücher enthalten Kapitel über Farbenlehre - die muss ich nochmals gründlicher lesen.

10 Kommentare:

  1. Der Schal sieht toll aus! Sehr schön wie das melierte Garn die anderen Farben verbindet. Einen Maßstreifen auf dem Webstück mitlaufen und aufwickeln zu lassen ist eine super Idee. ich glaube ich habe so etwas vor langem mal bei hochwertigen Stoffen gesehen, da weiß man wahrscheinlich immer gleich wie viel noch auf dem Ballen ist. Viele liebe Grüße!

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    1. Danke schön! Man ist selbst wahrscheinlich zu oft viel zu kritisch mit den eigenen Werken. Was den Messstreifen angeht, habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt. Ich wickele ihn nicht mit auf, sondern nur der angeknipste Teil sitzt auf dem Gewebe, der Rest baumelt frei. Vor dem Aufwickeln versetze ich die Clipse. Das hat den Vorteil, dass das aufgewickelte Gewebe nicht auf einer Seite dicker wird. (Ich hoffe, das war jetzt verständlich.)

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  2. Kompliment zu dem schönen stück, er sieht wirklich edel aus und sehr gleichmäßig. Man kann ihn ja auch wunderbar als Stola tragen, wenn es am Hals zu volumnös ist.Einfach sehr gelungen!
    Viele Grüße, karen

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    1. Vielen Dank. Ein Wollschal, lockerer gewebt, wird weicher sein. Später im Jahr ...

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  3. Mir gefällt dein Schal sehr gut und ich hätte schon Lust das Weben auch mal auszuprobieren. Da ich aber keinen großen Webrahmen habe sehe ich Dir (vorerst😊) gerne weiter zu. Mal sehen, ob und wann ein größerer Webrahmen hier einzieht.
    Liebe Grüße
    Susan

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    1. Aus deinem Kommentar lese ich heraus, dass du einen kleineren Webrahmen hast. Auch damit kann man ein paar Versuche starten. Anleitungen findet man ja im Netz.

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  4. Wie schön die Naturfarbe wirkt! Ich finde es toll, das du das Weben gleich ein bißchen größer angegangen bist. So kommen vernünftige Stücke dabei heraus, die man auch wirklich gebrauchen kann. Unsereins kommt über kleine Probeteile ja kaum hinaus. Viel Spaß weiterhin! Regina

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    1. Ich freue mich, dass es dir gefällt. Ja, der Rahmen in 60cm Breite war gesetzt, denn zukünftig möchte ich auch Gewebe für Kleidung machen.

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  5. Sieht total professionell aus und ich habe auch noch passende Wolle von einer Zeit im Hotel in Meran . Da fehlt mir dann nur noch der Webtisch… wie kommt man an so einen ran? Bzw kann man so einen Webrahmen einfach kaufen?

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    1. Danke. Natürlich kann man einen solchen oder ähnlichen Webrahmen einfach kaufen. Lies dazu meinen Post vom 3. März. Ashford kann ich empfehlen; es gibt den Rahmen in verschiedenen Breiten und ich glaube der Preis ist bei allen Anbietern auch gleich. Im Netz gibt es zahlreiche - meist englische - Videos, die die grundsätzlichen Dinge erklären und dann kann man ich immer ein wenig weiter vorhangeln. Es würde mich freuen, wenn ich dich „angesteckt“ habe (oder noch werde). Bitte berichte.

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